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Finanzinvestor*innen haben Pflegeeinrichtungen ins Visier genommen. Sie kaufen etwa Pflegeheime auf Pump auf und erhöhen den Druck, Rendite zu erzielen. Die Immobilien werden ausgegliedert, die Einrichtungen müssen fortan hohe Mieten zahlen. Aurora Li und Jorim Gerrard von der Bürgerbewegung Finanzwende skizzieren das Vorgehen der Private-Equity-Firmen und zeigen, was die Politik dagegen unternehmen kann.
DGB/Colourbox
Wer kümmert sich um mich, wenn es alleine nicht mehr geht? Wer kümmert sich um meine Angehörigen? Die Frage nach der Zukunft der Pflege ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unseres Landes – und eines der zentralen Probleme dabei ist die Frage der Finanzierung. Wie können wir gute Pflege sicherstellen, wenn die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und gleichzeitig die Zahl junger Menschen zurückgeht?
In jüngster Vergangenheit drängen immer mehr Kapitalgeber*innen aus dem Finanzsektor auf den Pflegemarkt. Das mag auf den ersten Blick gut sein, weil dadurch öffentliche Kassen entlastet werden. Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich die extreme Profitorientierung solcher Investor*innen, vor allem sogenannter Private-Equity-Firmen, schnell als Problem. Die Leidtragenden sind einerseits die Menschen, die gepflegt werden – und deren Bedürfnisse in solchen Fällen nur noch zweitrangig sind. Und andererseits die Beschäftigten der Pflegeheime, die aufgrund von Profiterwartungen und ständiger Insolvenzgefahr immer mehr belastet werden.
Private-Equity-Firmen bündeln das Geld von Dritten in einem Fonds. Dieses Geld legen sie an. Im Gegenzug versprechen sie ihren Geldgeber*innen, das sind zum Beispiel Pensionsfonds oder reiche Privatpersonen, sehr hohe Renditen von bis zu zwanzig Prozent. Um diese Renditen zu erreichen, kaufen sie Unternehmen und trimmen diese darauf, möglichst schnell möglichst hohe Einnahmen zu erzielen. Davon profitieren allerdings nicht die gekauften Unternehmen, sondern die Private-Equity-Firmen, die einen Großteil der Gelder abschöpfen – für ihre eigenen Geldgeber*innen.
Was die aufgekauften Unternehmen machen, ist für eine Private-Equity-Firma erst einmal egal. Entscheidend ist, dass es Potenzial für Rendite gibt. Egal ist leider häufig auch, was die neue Gewinnorientierung für ein Unternehmen genau bedeutet – und wer darunter leidet. Denn erfolgreiche Private-Equity-Firmen arbeiten mit verschiedenen Tricks, um ihre teils zweistelligen Renditen zu erreichen.
Private-Equity-Firmen haben so einen Weg gefunden, sich an öffentlichen Geldern zu bereichern.
Welche Folgen dieses Investitionsverhalten haben kann, zeigt sich im Pflegebereich besonders eindrücklich. Das Problem beginnt schon beim Kauf von Pflegeheimen oder ganzen Pflegeheimgruppen: Um den Kauf finanzieren zu können, nehmen Private-Equity-Unternehmen häufig Schulden auf – die sie dann aber nicht selbst bezahlen, sondern den gerade gekauften Heimen oder Gruppen aufbürden. Diese müssen nun für den Kredit aufkommen. Der Druck, höhere Gewinne zu erzielen, steigt damit deutlich.
Die Strategien der Finanzinvestor*innen zielen aber oft auf mehr als nur maximale Gewinne. Sie sind auf den weiteren wertvollen Besitz der Pflegeheime aus: die Immobilie, in denen sich die Heime befinden – sozusagen das Tafelsilber. Die Immobilie wird von der Private-Equity-Firma meist in einen Fonds für Immobilien eingegliedert. Die Pflegeheime müssen nun plötzlich hohe Mieten bezahlen, während ihnen vorher die Immobilie gehörte. Auch das lässt die Kosten steigen.
Sie sind auf den weiteren wertvollen Besitz der Pflegeheime aus: die Immobilie, in denen sich die Heime befinden – sozusagen das Tafelsilber.
Wenn die Kosten steigen, steigt auch die Gefahr, dass darunter die Qualität leidet – weil in solchen Fällen jeder Kostenpunkt und jede noch so kleine Stellschraube im Tagesgeschäft auf dem Prüfstand landen. Nach dem Motto: Getan wird nur noch, was absolut notwendig ist, und das mit so wenig Aufwand und Personaleinsatz wie möglich. Die Leidtragenden sind vor allem die Pflegebedürftigen und die Pfleger*innen. Im schlimmsten Fall müssen Pflegeheime oder Pflegeheimgruppen nach dem Einstieg von Private Equity sogar Insolvenz anmelden, weil die Last der Schulden und der Druck der Rendite schlicht zu hoch ist.
Und die Private-Equity-Firmen? Sind dann meistens über alle Berge. Denn Geschäftsprinzip von Private Equity ist nicht nur, Unternehmen zu kaufen, sie umzubauen und die Gewinne abzuschöpfen – Geschäftsprinzip ist vor allem, sie nach Abschluss dieses einschneidenden Prozesses mit erheblichem Gewinn wieder zu verkaufen. Meist nach vier bis acht Jahren und in vielen Fällen an die nächste Private-Equity-Firma, die das ganze Spiel wieder von vorne betreibt. Die kurzfristigen Profite aus der Immobilienumschichtung und Kostenreduzierung landen so allesamt bei den Private-Equity-Firmen, die langfristigen Folgekosten tragen dagegen die Pflegeheime und deren Bewohner*innen.
Private-Equity-Firmen haben so einen Weg gefunden, sich an öffentlichen Geldern zu bereichern. Denn die Einnahmen von Pflegeheimen, die von Private Equity abgeschöpft werden, stammen zu großen Teilen aus der Pflegeversicherung. Steuern dagegen zahlen Private-Equity-Unternehmen in der Regel kaum: Die abgeschöpften Gewinne werden in aller Regel in Schattenfinanzzentren wie den Kanalinseln oder Luxemburg transferiert.
Der Pflegesektor ist nicht das einzige Beispiel für den fatalen Einfluss von Private-Equity-Firmen und der immer weiter um sich greifenden Logik der Finanzmärkte. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch im Gesundheitsbereich zu beobachten: Viele Arztpraxen und Versorgungszentren in Deutschland befinden sich zum Beispiel längst in Private-Equity-Hand, auch hier drohen fatale Folgen für Patient*innen und der Gesundheitsversorgung im Ganzen. Die Beispiele zeigen: Elemente von Grundversorgung und Daseinsvorsorge sollten nicht der einseitigen Renditelogik der Finanzmärkte unterworfen sein.
Die gute Nachricht dabei ist: Der Siegeszug von Private Equity ist kein Naturgesetz.
Die gute Nachricht dabei ist: Der Siegeszug von Private Equity ist kein Naturgesetz, sondern eine Fehlentwicklung, die sich mit den richtigen Gesetzen und Rahmenbedingungen eindämmen lässt. Eine Haftungspflicht für die Schulden der aufgekauften Unternehmen von Private-Equity-Firmen könnte in einem ersten Schritt das risikoreiche Geschäftsmodell eingrenzen.
Durch eine dauerhafte Unterbindung der Übertragung von Schulden auf gekaufte Unternehmen, durch nachhaltige Eigenkapitalstandards und durch Zinsobergrenzen für interne Kredite würde es dann weiter erschwert, Pflegeheimen und anderen realwirtschaftlichen Unternehmen Kapital zu entziehen.
Es ist möglich, die Pflege vor der kurzfristigen Logik der Finanzmärkte zu retten, ohne notwendigen, langfristigen Investitionen den Weg zu versperren – Voraussetzung ist jedoch, dass der politische Wille dafür da ist. Dafür braucht es aber mehr als die Einsicht, dass es im Pflegesektor oder im Gesundheitswesen Missstände gibt. Es braucht die grundlegende Erkenntnis, dass der Finanzsektor an zu vielen Stellen darauf zielt, Wohlstand und Kapital aus der Realwirtschaft abzuziehen. Wer das stoppen will, darf nicht nur an Symptomen herumdoktern, er muss die Finanzmärkte selber regulieren. Damit sie wieder langfristige Investitionen ankurbeln und wieder den Menschen dienen, nicht sich selbst.