Gerade hat das Regime von Diktator Alexander Lukaschenko in Belarus das Strafrecht so verschärft, dass es unter anderem die Versammlungsfreiheit de facto abschafft. Die Internationale Arbeitsorganisation hat die Unterdrückung, Verhaftung und das Foltern politischer Gegner des Regimes, oftmals Gewerkschafter*innen, entschieden kritisiert. Nun müssen die westlichen Regierungen mit noch härteren Sanktionen gegen das Regime vorgehen.
Von Frank Hoffer
Die Proteste gegen das Regime Lukaschenkos dauern schon lange an, ebenso die Einsätze der Polizei, die immer wieder gewalttätig gegen friedliche Demonstranten vorgeht. DGB/Natallia Rak/Flickr
Auf ihrer Jahreskonferenz übte die Internationale Arbeitsorganisation (IAO; International Labour Organisation – ILO) scharfe Kritik an der eklatanten Verletzung von internationalen Arbeitsstandards in Belarus. Der IAO-Expertenausschuss verweist in seinem Bericht (ILO 2021a S 91 -102) ebenso wie vorher bereits der Ausschuss für Vereinigungsfreiheit (ILO 2021b) auf die gravierenden Verletzungen fundamentaler Arbeitnehmerrechte in Belarus.
Auf der Grundlage des Berichts diskutierte der Normenüberwachungsausschuss, in dem die Regierungs-, Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter der 187 IAO-Mitgliedsstaaten zusammenkommen, die Lage in Belarus. Der mehrheitliche Beschluss des höchsten internationalen Überwachungsgremiums zur Einhaltung internationaler Arbeitsstandards lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Mit Verweis auf die "extreme Gewalt zur Unterdrückung friedlicher Proteste und Streiks und den Verhaftungen und Folter von Arbeitern nach den Präsidentschaftswahlen im August 2020" (ILO 2021c S. 32) fordert die Internationale Arbeitsorganisation die Regierung dringend auf:
Scharf verurteilte die Organisation auch die in einem Fernsehgespräch mit dem Vorsitzenden der staatlichen Pseudogewerkschaft verkündete Forderung Lukaschenkos, alle Privatbetriebe müssten bei Strafe ihrer Liquidierung eine Gewerkschaft in ihren Betrieben etablieren. Hierbei handelt es sich nicht nur um einen eklatanten Verstoß gegen das Prinzip der Vereinigungsfreiheit, sondern es zeigt auch, dass die offiziellen Pseudogewerkschaften keine Organisationen von Beschäftigten sind, sondern ein staatliche Kontrollorgane des Regimes, die zur Überwachung von Unternehmen und Arbeitnehmer*innen im Privatsektors eingesetzt werden sollen.
Der belarussische Diktator Lukaschenko hat Deutschland wegen neuer Sanktionen gegen sein Land angegriffen. "Was wir nicht erwartet haben ist, dass auch Deutschland an dieser kollektiven Verschwörung teilnimmt", sagte Lukaschenko auf einer Gedenkfeier anlässlich des 80. Jahrestags des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am Dienstag. DGB/Mykyta Nikiforov/Flickr
Natürlich wiesen die Vertreter von Belarus alle Vorwürfe als unzutreffend zurück. Der Vorsitzende der Staatsgewerkschaften rechtfertigte, als getreuer Knecht des Regimes, die Verhaftung demonstrierenden und streikender Gewerkschafter*innen damit, dass ja politische Streiks auch in Deutschland verboten seien. Die IAO-Expert*innen wiesen dagegen darauf hin, dass ein fundamentaler Unterschied darin besteht, ob Gewerkschaften in einer demokratischen Gesellschaft agieren oder aber um die Demokratie selbst kämpfen müssen. Sie unterstrichen dass der politische Streik zur Verteidigung und Durchsetzung demokratischer Grundfreiheiten ein fundamentales Recht im Sinne der IAO-Konvention 87 ist. (ILO 2021a S. 97)
Das Regime von Diktator Alexander Lukaschenko gab sich uneinsichtig und unnachgiebig. Die Regierungsvertreterin ging zum Angriff über und warf den unabhängigen Gewerkschaften vor "Schritte gegen die Interessen des Staates und der Regierung zu unternehmen" und bezichtigte sie der "destruktive Lobbyarbeit" (ILO 2021c S 29) gegen Belarus. Zeitgleich zu den Verhandlungen in Genf beschloss das Regime eine Verschärfung des Strafrechts, das unter anderem die Versammlungsfreiheit de facto abschafft. Die "Diskreditierung der Republik Belarus" und die Beleidigung staatlicher Amtsträger werden neue Straftatbestände. Nach Beurteilung des Vorsitzenden der Belarussischen Konföderation Unabhängiger Gewerkschaften, Alexander Yaraschuk, bedrohen diese erneuten Verschärfungen die unabhängigen Gewerkschaften in ihrer Existenz.
Auf das Kartell der Freiheitsfeinde, die sich im UN-System gegenseitig Schützenhilfe leisten, konnte sich Lukaschenko auch bei der IAO-Jahreskonferenz verlassen. So erklärte die chinesische Regierung dass "die (belarussische) Regierung fest den fundamentalen Prinzipien und Rechten der Arbeit verpflichtet ist, einen offene Haltung zum sozialen Dialog einnimmt und konstruktiv mit den Sozialpartnern kooperiert." (ILO 2021c S 22) Dafür revanchierte sich Belarus in der Debatte zu Gewerkschaftsrechten in Hong Kong: "Belarus nimmt die systematische und positive Herangehensweise der Volksrepublik China zur Stärkung der Sozial- and Arbeitsbeziehungen in der Sonderverwaltungszone Hongkong zur Kenntnis." (ILO 2021d S. 22)
Russland ging noch einen Schritt weiter und kritisierte gleich noch diejenigen, die die Menschenrechtsverletzungen anklagen: "Die russische Föderation folgt vollständig den Argumenten unserer belarussischen Kollegen hinsichtlich der Umsetzung der Vorschriften der (ILO) Übereinkommen durch Minsk. (…) Abschließend, das bewusste Anheizen anti-belarussischer Rhetorik auch in der UN ist beunruhigend." (ILO 2021 S. 18/19)
Seit August 2020 wurden in Belarus mehr als 400 Journalist:innen festgenommen und massiv an ihrer Arbeit gehindert. Jüngstes Opfer ist der regierungskritische Blogger Roman Protassevic: Alexander Lukaschenko zwang ein Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen zur Landung in Minsk und ließ ihn festnehmen. DGB/dah
Die Entscheidung der ILO verlangt nicht nur klare Maßnahmen von Belarus zur Einhaltung internationaler Menschenrechte, sondern begründet auch ein moralisches Gebot für die internationale Staatengemeinschaft nicht tatenlos zuzusehen. Angesichts der fortdauernden Repression in Belarus, bedarf es gleichzeitig der Solidarität mit den Menschen und einer klaren Politik gegenüber dem Regime:
Die Menschen in Belarus haben mit ihrem monatelangen friedlichen Protest großen Mut bewiesen. Über 30.000 Menschen wurde verhaftet, zahllose Protestierende wurden geschlagen und gefoltert. Täglich werden auch heute Menschen vom KGB bedrängt, ihre Wohnungen werden durchsucht, andere verlieren ihre Arbeit oder fürchten um die Sicherheit ihre Familie.
Am 22. Juni hat sich der 80 Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf Belarus gejährt. Im Bewusstsein unserer Geschichte sollten wir die Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen und in ihrer Heimat nicht mehr sicher sind, bei uns willkommen heißen.
Links zu den ILO-Berichten:
ILO 2021a. Application of International Labour Standards 2021.
ILO 2021b Report of the Committee on Freedom of Association.
ILO 2021c Committee on the Application of Standards CAN/Belarus/C.87.
ILO 2021d Committee on the Application of Standards CAN/China Hong Kong/C.87.
DGB/Heiko Sakurai
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