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Digitalisierung und Elektromobilität sind in aller Munde. Wie erleben und bewältigen die Beschäftigten bei Volkswagen die doppelte Transformation? Die Studie „Arbeit & Qualifizierung 2030“ gibt einen umfangreichen empirischen Einblick in den Maschinenraum der dualen Transformation – aus Sicht der Beschäftigten.
Kaum eine Branche in Deutschland ist aktuell so sehr von der dualen – also digitalen und ökologischen – Transformation betroffen wie die Automobilindustrie. Viele Studien versuchen sich an Prognosen zu den damit verbundenen Folgen auf den Arbeitsmarkt in der Zukunft. Weniger beschäftigt sich Forschung mit dem konkreten Prozess, wie Transformationen im Hier und Heute umgesetzt wird, vor allem die Perspektive der Beschäftigten ist wenig erforscht.
Dank der Initiative und Finanzierung durch den Volkswagen-Nachhaltigkeitsbeirat und unter Patenschaft des ehemaligen DGB-Vorsitzenden Michael Sommer gibt die Studie „Arbeit & Qualifizierung 2030“ einen tiefen Einblick in das Transformationserleben, die Transformationsressourcen und die Transformationsbereitschaft der Beschäftigten. Ein arbeitssoziologisches und berufspädagogisches Team der FAU Erlangen-Nürnberg, der Fernuniversität Hagen, dem ISF München, des KIT Karlsruhe, der Leibniz Universität Hannover, dem SOFI Göttingen und dem WZB Berlin hat 2022 bei der Volkswagen AG mit über 200 Beschäftigten in Interviews und Workshops gesprochen und über 3.520 Beschäftigte im Konzern mit einem Online-Fragebogen befragt.
In einigen der Fallstudien zeigen sich schmerzhafte und nicht immer gewollte Veränderungsprozesse. Was oft in den Medien zu lesen ist und gerne auch von Beratungsunternehmen und Führungskräften behauptet wird, findet sich nicht: Unwille und Unfähigkeit, sich zu verändern. Im Gegenteil, die Kernbotschaften der Studie sind eindeutig und zeigen, dass die Transformationsbereitschaft der Beschäftigten sehr viel höher ist als üblicherweise unterstellt:
Ob die duale Transformation in der deutschen Automobilindustrie gelingt, wird in Politik und Öffentlichkeit oft mit großer Skepsis diskutiert – die Entscheidungstragenden in der Branche verbreiten dagegen überwiegend scheinbar ungebrochenen Optimismus. Wie aber schätzen die Beschäftigten ihre und die Zukunft der Branche ein? Und inwieweit vertrauen sie denen, die an den Entscheidungshebeln sitzen und die Strategien bestimmen? Auch hier ist das Bild positiver als man erwarten könnte:
Der mehrheitlich positive Blick in die Zukunft und das ebenso mehrheitlich ausgeprägte Vertrauen in die betrieblichen Entscheidungsebenen und -akteure sind aber keine Blankoschecks. So sind jeweils die pessimistischeren und die teils recht großen unentschlossenen Anteile bei den Befragten alles andere als Restgrößen und signalisieren ein klares „Es kommt darauf an.“ Oder anders: Vertrauen und positive Zukunftssichten sind in dynamischen Transformationszeiten alles andere als Selbstläufer, sondern müssen immer wieder neu erarbeitet werden.
Dieses „es kommt darauf an“ hat – das zeigen die vielen weiteren Ergebnisse der Studie – nichts mit einer Technik- oder Transformationsskepsis oder gar grundsätzlichen Angst zu tun. Angst vor Wandel, Unbeweglichkeit und Beharrung mögen sich im Einzelfall finden, in der Breite aber zeigen die Daten eine große Transformationsbereitschaft – die gleichwohl individuell und phasenweise mit Sorgen und Unsicherheiten verbunden sein kann. Und die sich oft auch verbindet mit Kritik an und produktiven Ideen für konkrete Umsetzungen. Oft sind es vor allem die organisationalen Prozesse, nicht die Beschäftigten, die noch transformationsfähiger werden müssen. Weil ein so nie da gewesener Transformationsprozess nicht schon seine passenden organisationalen Strukturen sozusagen im Koffer mitbringen kann, sind die Wege (sprich: Prozesse) für eine Bottom-up-Kommunikation im Sinne eines Transformationsverbesserungsprozesses erst noch systematisch zu schaffen. Vor allem zeigt die Arbeit & Qualifizierung 2030 auch: Neue Technologien der Digitalisierung und rund um Elektromobilität sind in der Breite bereits spürbar angekommen und werden von den Beschäftigten in einem noch höheren Maße gewünscht.
Der Prozess der dualen Transformationsprozess ist komplexer als es unsere Studie und erst recht als es dieser kurze Ausschnitt zeigen können. Der Blick in den Maschinenraum der Transformation zeigt: Es handelt sich um einen nur von außen gesetzten Einschnitt, mit dem in der Folge umzugehen wäre. Das Transformative trifft im Unternehmen auf Bestehendes, die Transformation wird dort gewollt, gemacht, gestaltet, erlitten und ausgehandelt – mal mit offenem, mal mit weniger offenem Ausgang.
Aus den umfangreichen Erhebungen von „Arbeit & Qualifizierung 2030“ bei Volkswagen finden sich hier eine längere Studie (Essentials) und eine Kurzfassung (Highlights) zum Download.
DGB/Heiko Sakurai
Der Gegenblende Podcast ist die Audio-Ergänzung zum Debattenmagazin. Hier sprechen wir mit Experten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt, es gibt aber auch Raum für Kolumnen und Beiträge von Autorinnen und Autoren.