Deutscher Gewerkschaftsbund

08.02.2023

Kritik an ChatGPT: Künstliche Intelligenz als Jobkiller?

Mit der Sprachsoftware ChatGPT können erstmals alle Internetnutzer*innen eine Künstliche Intelligenz testen. Die Einsatzmöglichkeiten scheinen unbegrenzt. Doch es gibt Kritik: Warum dürfen mächtige Konzerne noch mehr Geld mit dem Wissen verdienen, das Wissenschaftler*innen, Journalist*innen oder Programmierer*innen erdacht, erprobt, niedergeschrieben oder gespeichert haben? Zudem: Welche Jobs und Geschäftsmodelle sind nun in Gefahr?

ChatGPT: Künstliche Intelligenz am Start

pexels / Tara Winstead

Viel ist in den vergangenen Jahren über den Nutzen Künstlicher Intelligenz geschrieben worden. Doch richtig überzeugend waren die Applikationen im wahren Leben nicht, denkt man etwa an automatisierte Sprachbots an der Telefon-Hotline. Selten funktioniert dort die Lösung von Problemen ohne menschliche Hilfe. Mit der ChatGPT gibt es nun erstmals eine Software, die durch Wissen und sprachliche Fähigkeit überrascht. Das Tool ist seit Ende November in einer Betaversion online. Um es zu nutzen, muss ein Account angelegt werden – bisher ist dieser Zugang kostenlos. Dann kann man ähnlich wie bei einer Suchmaschine Fragen eingeben oder eine Unterhaltung beginnen. ChatGPT antwortet innerhalb von Sekunden. Der Funktionsumfang ist beachtlich: So können ganze Bücher innerhalb von wenigen Momenten zusammengefasst, Gedichte über jedes noch so abseitige Thema geschrieben oder sogar Codes für Apps produziert werden. „Gefüttert“ wurde die Technologie dahinter mit unglaublichen Mengen von Daten – etwa aus der Wikipedia und dem Programmier-Portal Github. Mittlerweile haben sich weltweit mehr als 100 Millionen Menschen angemeldet.

Kritik an ChatGPT: Jobkiller oder Produktivitätsschub?

Doch es ist Vorsicht geboten. Denn im Netz gibt es Berichte über Fehler und falsche Aussagen. Davor warnen auch die Macher*innen der Software. Generell ist das Unternehmen Open-AI, das ChatGPT entwickelt hat, darauf bedacht, Schwächen vorab zu benennen. So endet das Wissen von ChatGPT im Dezember 2021. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist dem Tool also nicht bekannt. In den sozialen Netzwerken geht es nun um die Frage, für wen die Software existenzgefährdend sein kann. 

Journalist*innen, Werbetexter*innen, Autor*innen könnte es irgendwann treffen, meinen einige. Die Sinnhaftigkeit von Hausaufgaben und Seminararbeiten wird in Frage gestellt, und auch das Ende von Googles Vormachtstellung im Internet wird debattiert. Mittlerweile hat der Suchmaschinen-Riese Google seine Pläne für einen eigenen Sprachbot veröffentlicht – vermutlich früher als geplant, weil ChatGPT innerhalb weniger Monate mehrere Millionen Nutzer*innen gewonnen hat. Zudem ist auf Microsofts Suchmaschine Bing ChatGPT seit heute (8. Februar 2023) eingebunden und unterstützt bei Anfragen. Das Google-Tool soll künftig unter dem Namen Bard laufen.

Künstliche Intelligenz, Suchmaschinen und die Architektur des Internet

Für Online-Redakteur*innen und Suchmaschinenoptimierer*innen wäre das eine enorme Herausforderung. Denn wenn der Google oder Microsoft-Bot alle Fragen, seien sie auch noch so detailliert, direkt innerhalb der Suchmaschine beantwortet, dann gibt es deutlich weniger Gründe, Webseiten von Medien, Unternehmen, Kirchen, Bloggern, Verbänden, Parteien oder auch Gewerkschaften zu besuchen. Die gesamte Architektur des Internets stünde damit vor einem gewaltigen Umbruch. Die bestehenden Monopole im Netz würden noch stärker ausgebaut.

Microsoft, das Anteile an der Firma hinter ChatGPT hält, will den Bot künftig in Office-Produkten integrieren. Der Nutzen etwa in Word wäre immens – Geschäftsbriefe, Bewerbungsschreiben, Pressemeldungen oder Seminararbeiten wären dann kein großer Aufwand mehr.

ChatGPT Nutzer

Gegenblende

ChatGPT und Disruption: Wer wird arbeitslos?

Ein beliebtes Spiel ist es, die KI selbst zu befragen, in welchen Branchen das Jobrisiko nun am höchsten ist. Doch die Maschine bleibt diplomatisch und oberflächlich. Auf die Frage „Werden Menschen ihren Job durch dich verlieren?“ antwortet ChatGPT selbst: „Als künstliche Intelligenz (KI) und automatisierte Technologie kann ich dazu beitragen, bestimmte Aufgaben und Prozesse zu automatisieren und zu verbessern. Dies kann dazu führen, dass einige Arbeitsplätze durch Automatisierung überflüssig werden. Allerdings gibt es auch viele Möglichkeiten, in denen KI und automatisierte Technologie neue Arbeitsplätze schaffen und bestehende Arbeitsplätze ergänzen können.“

Ökonomen bewerten die Aussichten weniger positiv. Anton Korinek, Fellow bei der Denkfabrik Brookings und an der University of Oxford für KI zuständig, sagt auf Spiegel Online: Die Fortschritte beim Maschinenlernen seien mittlerweile so rasant, dass sich die Welt auf ein Szenario vorbereiten müsse, „in der menschliche Arbeit in weiten Teilen nicht mehr gebraucht wird“. Der Ökonom Tylor Cowen warnt: „Technologien wie ChatGPT werden die Wirtschaft fundamental verändern. Sie werden so schnell besser, dass man unmöglich sagen kann, wie.“

Kritik an ChatGPT: Imitat oder Original

Die Fähigkeit, aus Erfahrungen hinzuzulernen, ist offenbar enorm: ChatGPT lernt nicht nur als Ganzes besser zu werden, sondern kann sich etwa den Sprachstil des jeweiligen Nutzers oder der Nutzerin aneignen. Das lässt Menschen, die selbst Texte produzieren, eher pessimistisch in die Zukunft schauen. So bekennt ChatGPT freimütig: „Ja, ich kann den Sprachstil meiner Benutzer erkennen und an ihn anpassen, solange es innerhalb meiner Programmierung und Schulung liegt.“

Es stehen viele Fragen im Raum und es gibt an Anlass, kritisch zu sein: Wie steht es eigentlich um das geistige Eigentum? Denn letztendlich greift die Maschine auf das Wissen zurück, das Autor*innen, Wissenschaftler*innen, Wikipedianer*innen oder Programmierende erdacht und zu Papier gebracht oder in einer Datei gespeichert haben. Mit diesem Wissen verdienen nun große Konzerne noch mehr Geld. Quellenangaben kennt ChatGPT bisher nicht. Und wenn man darum bittet, sind die Angaben und Links häufig falsch oder gar erfunden. Das Zitat als journalistischer oder wissenschaftlicher Beleg scheint für Chatbots nicht mehr zu gelten. Wie steht es um die Transparenz? Wie sollen Leser*innen von Webseiten oder von Social-Media-Posts künftig wissen, ob der Text von einer KI, einem Menschen oder von beiden gemeinsam verfasst wurde? Die sozialen Netzwerk sind bereits heute voll von Halbwahrheiten und Lügen. Und: Wer hält das Urheberrecht an den künstlich generierten Texten – Microsoft, Google oder der*die Internetnutzer*in? Viele Fragen, die nun auf Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft zukommen.

Kritik an ChatGPT: Gesellschaft im Betatest

Politik und Justiz haben viel zu lange zugesehen, wie Menschen sich durch Fake News in den sozialen Netzwerken radikalisiert haben. Bei der Einführung der Künstlichen Intelligenz darf der Staat sich nicht wieder jahrelang Zeit lassen, um die Gesellschaft vor systemgefährdenden Veränderungen zu schützen. Die Konzerne müssen von Anfang an als Verantwortliche adressiert und in die Pflicht genommen werden.


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Kurzprofil

Sebastian Henneke
Sebastian Henneke ist verantwortlicher Redakteur für das DGB-Debattenportal Gegenblende.
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Karikatur mit einem Mann und einer Frau die an einem Tisch sitzen, auf dem Mikrofone stehen.

DGB/Heiko Sakurai

Der Gegenblende Podcast ist die Audio-Ergänzung zum Debattenmagazin. Hier sprechen wir mit Experten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt, es gibt aber auch Raum für Kolumnen und Beiträge von Autorinnen und Autoren.

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