Deutscher Gewerkschaftsbund

04.05.2017

Wie müsste eine gerechte und nachhaltige Globalisierung aussehen?

Die ökonomische Globalisierung erlebt ihre Götterdämmerung. Angesichts der Risiken dieses sozial und ökologisch nicht nachhaltigen und demokratiegefährdenden Wirtschaftsmusters gilt es daher umfassend umzudenken.

Zeichnung: Weltkugel mit roten Blitzen

Colourbox.de

Die Globalisierung wurde bislang vom neoliberalen Konzept fortschreitender Deregulierung und Liberalisierung geprägt. Das Ziel: Profite maximieren und ökomische Risiken minimieren. Transnationale Konzerne aus der westlichen Welt lagern die sozialen und ökologischen Kosten und Risiken der Produktion in den Süden aus. In immer mehr Freihandelsverträgen werden die Unternehmen und Investoren vor rechtlichen oder politischen Einschränkungen stark abgesichert. Demgegenüber sind sie kaum dazu verpflichtet, die Arbeitnehmer, das Gemeinwohl und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen –von sozialer Marktwirtschaft ist ohnehin keine Rede mehr.

Doch der Glaube an die Selbstregulierung des Marktes ist längst entzaubert. Es braucht einen Paradigmenwechsel: Politiker und politische Institutionen müssen das Primat der Politik über die Ökonomie wieder zurückgewinnen. Die Rechte der Unternehmen müssen weltweit in eine Balance gebracht werden mit den Rechten von Arbeitnehmern, der betroffenen Bürger und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Nationalstaaten allein sind dazu nicht mehr in der Lage. Demokratisch kontrollierte multilaterale Kooperation ist unverzichtbarer denn je.

Ideen für eine andere Globalisierung existieren bereits

Als Orientierung für diesen Paradigmenwechsel in der internationale Finanz-, Handels- und Wirtschaftspolitik können das Pariser Klimaabkommen und die von der UN-Vollversammlung verabschiedete Globale Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung dienen. Beide wurden 2015 als Selbstverpflichtungen von der internationalen Völkergemeinschaft verabschiedet. Normen und Anleitungen, die auf UN-Ebene seit Jahrzehnten definiert sind, können bei ihrer Umsetzung hilfreich sein - etwa die ILO-Kernarbeitsnormen oder die Freiwilligen Leitlinien zu den Themen Recht auf Nahrung, Landnutzungsrechte und jüngst Wirtschaft und Menschenrechte. Ebenso gibt es gute Beispiele, wie sich die Normen in nationale Aktionspläne umsetzen lassen. Es mangelt also nicht an Wissen, welche Maßnahmen ergriffen und welche Regelungen auf nationaler und internationaler politischer Ebene getroffen werden könnten, um Globalisierung anders zu gestalten. Es mangelt den Staaten an Mut.

Kein Interesse an Sozialer Marktwirtschaft

Internationaler Handel wird nicht nach seiner sozialen und ökologischen Qualität bewertet, sondern nur nach dem Preis. Staaten dürfen den Austausch von Waren und Dienstleistungen gemäß WTO-Regeln meist nicht davon abhängig machen, unter welchen Bedingungen die Produkte hergestellt werden. Die Vereinbarkeit mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung sollte in Zukunft aber ein zentraler Maßstab jeglicher Handelspolitik sein, nicht das Credo der offenen Märkte. Freihandel ist kein Selbstzweck. Wo er Menschenrechte beeinträchtigt und Staaten daran hindert, in ihrem Land die Armut zu bekämpfen oder die Umwelt zu schützen, muss er Grenzen gesetzt bekommen. Das entspricht dem alten Gedanken der sozialen Marktwirtschaft.

Voraussetzung dafür sind Analysen über die Auswirkungen von Handels- und Investitionsabkommen auf Menschenrechte und Entwicklung – und zwar zu Beginn von Vertragsverhandlungen. Im Lissabon-Vertrag hatte sich die Europäische Union 2009 genau dazu verpflichtet. Über Menschenrechtsklauseln in Handelsverträgen hinaus wurde jedoch wenig getan. Und selbst die wurden nur sehr selektiv - bei wirtschaftlich unwichtigen Staaten – in der Praxis aufgegriffen. Arme Staaten müssen das Recht haben, ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und entwicklungswirksame Maßnahmen zu ergreifen. Diese müssen Vorrang haben, auch wenn sie handelshemmend sind. Sie sollten nicht von Sondergerichtsbarkeiten im Interesse des Investorenschutzes ausgehebelt werden dürfen. Ökonomisch schwache Staaten benötigen mindestens vorübergehend das Recht auf Schutz und damit Entwicklung ihrer lokalen Märkte.

Zukunft von Freihandelsverträgen

Zudem darf der Abbau von Handelshemmnissen nicht zur Verletzung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Rechte (wie dem Recht auf Nahrung) beitragen – etwa wenn Produzenten in Entwicklungsländern in die Armut gestürzt werden, weil dort die Importzölle gesenkt werden. In diesem Sinne müssen wir die Rechte von Entwicklungsländern stärken und die Investitionsschutzklauseln von Handelsverträgen klar beschränken. Das sollte bei künftigen bi- und multilateralen Handelsverträgen umgesetzt werden, doch auch schon bestehende Verträge ließen sich in diesem Sinne revidieren.


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Kurzprofil

Cornelia Füllkrug-Weitzel
Pfarrerin Dr. h. c. Cornelia Füllkrug-Weitzel (MA) leitet seit dem Jahr 2000 die evangelischen Hilfswerke Brot für die Welt und die Diakonie Katastrophenhilfe.
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