Deutscher Gewerkschaftsbund

25.02.2021

Freiheit und Gerechtigkeit für Myanmar

Die Menschen in Myanmar haben eine Vision: Sie wollen Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Dafür sind sie sind bereit alles zu geben, was nötig ist. Um ihr Ziel zu erreichen, brauchen sie die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und der globalen Wirtschaft.

 

Von Khaing Zar Aung

Demonstranten mit roten Stirnbändern halten gelbe Schilder hoch, auf denen steht: We don't accept military coup.

Die Proteste gegen den Militärputsch in Myanmar halten an, obwohl die Polizei immer wieder brutal gegen sie vorgeht. DGB/dah

Am 1. Februar 2021 stürzte das Militär Myanmars die zivile Regierung unter der Führung der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), um den Antritt der im November letzten Jahres demokratisch wieder gewählten zivilen Regierung zu verhindern. Seitdem führt das Militär einen Krieg gegen das Volk. Die Generäle wollen zu den dunklen Zeiten der Diktatur zurückkehren. Sie haben keine Vision für die Zukunft unseres Landes. Im Gegensatz zu den Menschen auf den Straßen Myanmars, jung und alt aus allen Gesellschaftsschichten. Sie haben eine Vision: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Sie sind bereit alles zu geben, was nötig ist, um ihr Ziel zu erreichen. Dazu brauchen sie die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und der globalen Wirtschaft.

Mit täglich wachsender Beteiligung gehen hunderttausende Demonstrant*innen auf die Straße und fordern die Freilassung ihrer demokratisch gewählten Regierungsvertreter*innen – insbesondere von de facto Regierungschefin Aung San Suu Kyi und Präsident Win Myint – und die Wiederherstellung der Demokratie. Am 22. Februar 2021 schlossen sich 8 bis 10 Millionen Menschen im ganzen Land einem Generalstreik und Massendemonstrationen an. Als Teil einer massiven Bewegung des zivilen Ungehorsams gehen Staatsbedienstete, Pilot*innen, Zugführer*innen, Ärzt*innen, Bekleidungsarbeiter*innen und viele andere im ganzen Land nicht mehr zur Arbeit.

Myanmars Militär lässt die Menschen von aus der Haft entlassenen Kriminellen terrorisieren

Das Militär hat das Kriegsrecht verhängt und geht immer gewaltsamer gegen friedliche Demonstrant*innen vor. Sie setzen Wasserwerfer, Tränengas, Steinschleudern, Gummigeschosse und scharfe Munition ein. Bereits vier friedliche Demonstrant*innen sind durch Militärgewalt ums Leben gekommen. Darunter ein 16 Jahre alter Junge. Er wurde erschossen, als er versuchte, Verletzte von einer Demonstration in Mandalay wegzubringen. Dutzende wurden schwer verletzt. Berichten zufolge werden auch freiwillige Ersthelfer*innen ins Visier genommen wurden, die versuchen, verletzten Demonstrant*innen zu helfen.

Das Regime hat über 23.000 Kriminelle aus den Gefängnissen entlassen, die nun die Bevölkerung durch Brandstiftung, Vergiftung der Wasserversorgung und Gewalt terrorisieren. Militär und Polizei verhaften Nacht für Nacht diejenigen, die sich der Bewegung des zivilen Ungehorsams anschließen. Facebook, Instagram und Twitter sind verboten. Die Telekommunikationsanbieter werden regelmäßig gezwungen, das gesamte Internet abzuschalten. Die demokratisch gewählte Regierungsführung des Landes ist nach wie vor inhaftiert, zusammen mit über 600 politischen Gefangenen.

Das Militär fordert die Fabrikbesitzer*innen auf, die Namen und Adressen von Gewerkschaftsführern preiszugeben, um sie zu verhaften. Militärs suchen in den Schlafsälen und Wohnheimen nach Gewerkschaftsführern. Internen Berichten zufolge hat zudem eine gezielte Verfolgung von zentralen Vorstandsmitgliedern und Funktionär*innen unseres nationalen Gewerkschaftsbunds CTUM (Confederation of Trade Unions of Myanmar - CTUM) und einiger unserer Mitgliedsgewerkschaften begonnen.

Auf einer Straße demonstrieren Bürger und Mönche gemeinsam. Sie halten ein Plakat mit dem Bild von Aung San Suu Kyi hoch und Zettel, auf denen sie ihre Freilassung verlangen.

Auch wenn Aung San Suu Kyi im Westen wegen ihrer Bereitschaft umstritten ist, mit den Militärs des Landes zu kooperieren, ist sie die Repräsentantin der Demokratiebewegung im Land. DGB/dah

Durch all das lässt sich die friedliche Bewegung für Demokratie nicht aufhalten. Sie zählen darauf, dass die Welt sie unterstützt. Die Militärjunta will zu einer offenen Diktatur zurückkehren. Gleichzeitig wollen sie internationale Geschäftsbeziehungen weiterführen. Sie wollen ihre Interessen schützen und sich weiter bereichern. Wir brauchen daher jetzt ein klares und unmissverständliches Signal der internationalen Gemeinschaft, der Regierungen, der Unternehmen und der internationalen Zivilgesellschaft: Keine diplomatische Anerkennung, keine Zusammenarbeit und keine Geschäfte mit der Junta!

Keine Anerkennung der Militärjunta und keine Geschäfte mit ihr

Als nationaler Gewerkschaftsbund CTUM und sektorale Branchengewerkschaft IWFM bitten wir Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit, sich uns anzuschließen und globale Unternehmen, die in Myanmar tätig sind, zu den folgenden Handlungen aufzufordern.

Was uns und der Demokratiebewegung hilft:

Unternehmen weltweit müssen den Militärputsch in Myanmar öffentlich verurteilen. Was am 1. Februar geschah, ist ein Putsch. Die Behauptung der Militärs, sie hätten nur gehandelt, um die Verfassung zu schützen und um faire Wahlen zu gewährleisten, sind eklatante Lügen. Es gibt keine Rechtfertigung für das, was sie zu tun versuchen.

  • Unternehmen müssen öffentlich erklären, dass der Militärputsch, wenn er fortgesetzt wird, einen negativen Einfluss auf zukünftige internationale Investitionen, die Wirtschaft und soziale Entwicklung Myanmars haben wird. Die Militärs glauben, dass sie das Volk mit brutaler Gewalt zum Schweigen bringen können. Sie glauben, dass die internationale Wirtschaft weiterhin Geld in Myanmar verdienen will. Globale Unternehmen müssen laut und deutlich sagen, dass dies nicht geschehen wird. Sie müssen deutlich machen, dass eine weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Myanmar nur möglich sein wird, wenn Menschen- und Bürgerrechte respektiert werden. Globale Firmen müssen dem Militär zeigen, dass sie internationale Investitionen aus dem Land treiben, wenn sie mit dem Putsch fortfahren.

  • Unternehmen müssen mittels einer gründlichen Erfüllung der Sorgfaltspflichten sicherstellen, dass es in der Lieferkette keine Geschäfts- oder Investitionsbeziehungen gibt, die sich direkt im Besitz des Militärs befinden oder mit diesem verbunden sind.
    Sie müssen strenge Sorgfalt an den Tag legen und öffentlich kommunizieren, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachkommen. Unternehmen müssen nun zeigen, dass ihr Versprechen von sozialer Verantwortung nicht nur leere Worte sind.

  • Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Geschäftsaktivitäten sowie die ihrer Lieferanten nicht zu Menschenrechtsverletzungen beitragen oder diese verschlimmern. Es gilt sichezurstellen, dass ihre Zulieferer keine Arbeiter*innen oder Gewerkschaftsfunktionär*innen für die Teilnahme an den Demonstrationen gegen den Putsch bestrafen. Globale Unternehmen müssen von ihren Lieferanten verlangen, dass sie keine Arbeiter*innen entlassen oder bestrafen, weil sie an den Demonstrationen teilnehmen. Sie müssen auch deutlich machen, dass sie es nicht akzeptieren, wenn Zulieferer Arbeiter*innen oder Gewerkschaftsfunktionär*innen bei der Polizei oder beim Militär denunzieren.

  • Unternehmen müssen eine öffentliche Erklärung darüber abgeben, dass ihre Lieferanten aus Myanmar keine Strafen oder andere wirtschaftliche Konsequenzen für verspätete Lieferungen oder andere Vertragsbrüche im Zusammenhang mit Demonstrationen erleiden. Die Lieferanten werden nur dann davon absehen, Arbeiter*innen für die Teilnahme an den Demonstrationen zu bestrafen, wenn sie die Gewissheit haben, dass sie ihrerseits nicht von ihren globalen Geschäftspartnern bestraft werden. Das Verhalten der globalen Unternehmen in der Covid-19-Pandemie hat das Vertrauen der Lieferanten in verantwortungsvolle Einkaufspraktiken untergraben. Globale Unternehmen müssen sich jetzt öffentlich dazu verpflichten, damit die Lieferanten das Richtige tun können.

Diese junge Frau machte ihr Work-Out-Video ausgerechnet am 1. Februar, als im Hintergrund Militärfahrzeuge und die abgesperrte Straße vom Staatsstreich zeugen. Das Video ging um die Welt.

Die Menschen in Myanmar streiken nicht gegen Unternehmen. Sie streiken gegen eine Militärjunta, die die Zukunft der Menschen und des Landes in Gefahr bringt. Wenn die Bewegung Erfolg hat, ist das auch ein Erfolg für Myanmar als Produktionsstandort. Wir brauchen globale Unternehmen, die sich zumindest an unsere fünf Punkte halten. Globale Unternehmen, die jetzt schweigen, signalisieren dem Militär, dass sie auch unter einer Militärdiktatur im Land bleiben werden, solange die Preise attraktiv sind. Das ist inakzeptabel.

Der Gewerkschaftsdachverband CTUM ruft nationale Regierungen, nationale und internationale Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen auf, die Arbeiter*innen, die bei den demokratischen Wahlen im November 2020 gewählt haben, zu unterstützen, indem sie:

  • umfassende Wirtschaftssanktionen umsetzen, um jegliche Einnahmen des Militärs zu stoppen;
  • die Menschen in Myanmar dabei unterstützen, wenn sie die Europäische Union auffordern, Myanmar den zollfreien Handelsstatus unter dem „Everything but Arms“ (EBA) Abkommen vorübergehend zu entziehen;
  • die Menschen in Myanmar dabei unterstützen, wenn sie die internationalen Finanzinstitutionen auffordern, alle Aktivitäten innerhalb Myanmars zu stoppen - da alle Aktivitäten mit den Ministerien eine Unterstützung des Putsches bedeutet;
  • die Menschen in Myanmar dabei unterstützen, wenn sie die Generalversammlung der Vereinten Nationen bitten, den Sitz von Myanmar freizuhalten, bis die gewählten Vertreter*innen ein Parlament und eine Regierung bilden können.

Gemeinsam können die Menschen in Myanmar und die internationale Gemeinschaft die Demokratie zurückbringen

Regierungen, internationale Organisationen, Unternehmen und die globale Zivilgesellschaft müssen der Junta zu verstehen geben, dass der Putsch alle Handelspräferenzen und Außenbeziehungen gefährdet. Das EBA - Abkommen der
Europäischen Union gibt Entwicklungsländern, die Demokratie und Menschenrechte respektieren und fördern, einen bevorzugten Handelsstatus. Myanmar hat seit 2012 von dem zollfreien EBA-Status profitiert; er hat dazu beigetragen, hunderttausende Arbeitsplätze für Beschäftigte in der Textil- und Bekleidungsindustrie zu schaffen.

Seit wir nach der letzten Diktatur im Jahr 2012 als Gewerkschaft zugelassen wurden, hat sich die Branchengewerkschaft IWFM unermüdlich für den Schutz der Rechte und die Verbesserung des Lebens der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie und ihrer Familien eingesetzt. Unser nationaler Gewerkschaftsbund CTUM ist der einzige registrierte Gewerkschaftsbund auf nationaler Ebene und mit über 67.000 Mitgliedern auch der repräsentativste in sieben Branchenverbänden, die die Bereiche Agrar- und Landwirtschaft, verarbeitendes Gewerbe, Bau- und Holzindustrie, Bergbau, Transportwesen, Schifffahrt, Lebensmittelindustrie und Energiewirtschaft abdecken.

Als CTUM und IWFM stehen wir an der Seite unserer Mitglieder und aller Menschen in Myanmar, die friedlich für ihre demokratischen Rechte protestieren. Der Entzug des EBA- Handelsabkommens durch die EU würde uns hart treffen. Arbeitsplätze würden verloren gehen und unser wirtschaftliches Überleben könnte gefährdet werden. Aber was unser Leben und unsere Zukunft mehr als alles andere in Gefahr bringt, ist die Militärdiktatur. Wir haben bereits Jahrzehnte unter einer Militärdiktatur gelebt und wissen, was es bedeutet.

Die Menschen in Myanmar haben gezeigt, dass sie bereit ist, alles zu geben, was nötig ist, um Freiheit und Demokratie zu erreichen. Wir müssen den höchstmöglichen Druck auf das Militär aufbauen, um dies zu erreichen. Und wir brauchen eure Hilfe – die Hilfe von Bürger*innen, Beschäftigte, Unternehmen und Regierungen weltweit. Durch zivilen Ungehorsam, Proteste und Streiks melden sich die Menschen in Myanmar deutlich und lautstark zu Wort. Wir brauchen eine ebenso laute internationale Gemeinschaft, die an unserer Seite steht und mit uns gemeinsam diesen Putsch zum Scheitern bringt.


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Kurzprofil

Khaing Zar Aung
ist Präsidentin der Gewerkschaft Industrial Workers Federation of Myanmar (IWFM) und Vorstandsmitglied des Dachverbands Confederation of Trade Unions of Myanmar (CTUM).
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Karikatur mit einem Mann und einer Frau die an einem Tisch sitzen, auf dem Mikrofone stehen.

DGB/Heiko Sakurai

Der Gegenblende Podcast ist die Audio-Ergänzung zum Debattenmagazin. Hier sprechen wir mit Experten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt, es gibt aber auch Raum für Kolumnen und Beiträge von Autorinnen und Autoren.

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