In den vergangenen Jahren hat es zu wenig Regen gegeben, besonders die Wälder in Deutschland leiden schon heute massiv unter dem Klimawandel. Siegfried Rohs ist Forstwirt und Personalrat. Im Interview schildert er, wie es um den Staatsforst steht.
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Über all die Jahre: Wie hat sich die Arbeit im Wald verändert?
Siegfried Rohs: Ich verfolge seit fünfzig Jahren, wie sich Wald und Forstverwaltung entwickeln. So lange bin ich aktiv im Beruf. In der Lehre und danach wurde noch im Akkord gearbeitet. Oft gab es Unfälle, und viele haben sich regelrecht kaputtgearbeitet. Wir haben Fichtenalthölzer flächig im Kahlschlag geerntet. Das Holz hat den Waldbesitzenden viel Geld gebracht. Schulen und Kindergärten wurden damals oft aus den Fichtenkahlschlägen finanziert. Auf vielen Flächen stand aber schon 200 Jahre Fichte, also in der zweiten Generation. Das ist hier aber keine heimische Baumart. Es gab schon damals kritische Stimmen, aber trotzdem wurde sie auch in der dritten Generation gepflanzt. Das war aus heutiger Sicht falsch.
Dort ging es um Fichten-Monokulturen?
Genau. Besonders schlimm finde ich, dass der Wald im Laufe der Jahre maschinengerecht umgebaut wurde. Alle 20 Meter wurden sogenannte Rückegassen eingelegt, wo schwere Maschinen fahren können. Das ist fatal, denn die funktionieren letztlich wie eine Drainage und leiten das Wasser ab.
Die Arbeit im Wald wurde automatisiert?
Ja, vor allem seit den Neunzigerjahren. Gleichzeitig wurden die Reviere deutlich vergrößert und Personal gekürzt. Das betraf vor allem die Forstwirte, also die Leute, die die körperliche Arbeit im Wald machen. Diese Gruppe ist fast komplett weggefallen. Man muss sich klarmachen, dass Forstingenieur:innen natürlich die Planung machen können, das sind die Architekt:innen des Waldes. Aber sie setzen den Plan ja nicht praktisch um, dafür braucht es Facharbeitskräfte.
Von welcher Dimension reden wir? Und wie wirkt sich der Personalabbau aus?
Im Jahr 2000 hatten wir im Staatsforst Rheinland-Pfalz ca. 2.300 Beschäftigte über alle Laufbahngruppen. Seit den Neunzigerjahren gab es den politischen Auftrag, diese Zahl zu reduzieren. Heute sind wir bei 1.461, insofern hat sich BWL auch im Forst durchgesetzt. Weniger Personal, weniger Kosten, mehr Erlös – alles für die schwarze Null. Dadurch kann man heute nicht mehr selbst reagieren, etwa bei Schnee- oder Windbruch. Wir müssen immer erst ein Unternehmen finden. Einen punktuellen Befall mit Borkenkäfern könnten wir mit eigenem Forstpersonalgut aufarbeiten. Für ein Unternehmen mit Großmaschinen lohnt das nicht. Werden die ‚Käfernester‘ aber nicht schnell entfernt, entsteht bei günstiger Witterung ein Flächenbrand. Der Einsatz eigener Facharbeitskräfte wäre also wirtschaftlicher, wenn auch nicht billiger. Das ist der Unterschied.
Aber dieses Forstpersonal fehlt heute.
Ja. Die Borkenkäferkalamität hat gezeigt, dass sich hunderte von Schadinseln allein mit Unternehmen nicht schnell genug aufarbeiten lassen. Und nach jahrelanger Noternte von Käferfichten gibt es jetzt tausende Hektar Jungwälder, die wir pflegen müssen. Und nebenbei waren früher auch die Waldwege in einem guten Zustand, weil sie gepflegt wurden. Heute verfällt die Waldinfrastruktur.
Wann machte sich der Klimawandel bei der Arbeit im Wald bemerkbar?
Mitte der Achtzigerjahre schien der Wald sich zu erholen. Das Problem mit dem sauren Regen wurde durch Entschwefelung gelöst. Ich hatte aber schon damals den Eindruck, dass irgendwas nicht mehr stimmt. Windwürfe wurden immer mehr. Vivian, Wiebke, Kyrill, es gab fast jedes Jahr Sturmschäden. Ähnlich die Entwicklung mit der Trockenheit. Klar, es gab auch früher immer mal ein sehr trockenes Jahr, 1976 zum Beispiel. Aber es häufte sich, es gab immer weniger Niederschlag.
Siegfried Rohs war 14 Jahre alt, als er im Staatsforst in Rheinland-Pfalz seine Lehre begann. Er arbeitete als Forstwirt und hat nach kurzer Zeit die Prüfung zum Forstwirtschaftsmeister absolviert. Im Anschluss war er selbst Ausbilder. Er kam schnell mit der IG BAU in Kontakt, bei der in den Siebzigerjahren noch die Themen Akkordarbeit und Arbeitslosigkeit im Winter auf der Tagesordnung standen. So kam er auch zur Personalratsarbeit. Später war er mehr als 20 Jahre Vorsitzender im Bezirks- und zuletzt im Hauptpersonalrat und dadurch auch freigestellt. Trotzdem verbrachte er jede freie Minute im Wald und ist auch weiterhin im Meisterprüfungsausschuss aktiv. Rheinland-Pfalz ist ein vom Kommunalwald geprägtes Land. Die Kommunen besitzen etwa 50 Prozent des Waldes, das Land ca. 25 Prozent. Der Rest ist in Privatbesitz.
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Was hatte das für Folgen?
Bisher waren die Fichten immer gut mit Wasser versorgt. Jetzt sind sie vertrocknet. Die seit den Siebzigerjahren gepflanzten Bestände sind heute alle tot, davon steht nichts mehr. Selbst die 1990 gepflanzten oder natürlich angesamten Fichten sind oft vertrocknet oder dem Käfer zum Opfer gefallen. Wir reden hier wohlgemerkt vom Siegerland und vom Westerwald, das sind eigentlich sehr regenreiche Regionen mit jährlich 900 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Im Hohen Westerwald deutlich über 1.000. Es wurde immer vorhergesagt, dass die Fichte in vielen Regionen verschwinden wird, aber bestimmt nicht im Westerwald.
Diese Prognose war also falsch.
Ja. Die letzten drei vier Jahre waren dramatisch. Viele Flüsse und Bäche sind schon im Juni fast ausgetrocknet. Das kann Ende Juli oder im August mal passieren, aber nicht so früh. Durch die Trockenheit und die Hitze verabschieden sich die Nadelhölzer. Fichte, aber auch Kiefer und Lärche. Das macht allein einen Anteil von 30 bis 40 Prozent unseres Waldes aus.
Wie sieht es auf den anderen Flächen aus, also im Mischwald?
Die heimischen Baumarten, also Buche, Eiche, Ahorn, teilweise Kirsche, sind mit der Situation einigermaßen zurechtgekommen. Klar sterben uns auch mal ein paar Buchen ab, wenn sie auf einem Plateau stehen mit schlechter Wasserversorgung. Manchmal kränkelt auch die Eiche. Aber sie kann mit der Wurzel in die Tiefe gehen, ihre Blätter im nächsten Jahr etwas verkleinern – sie kann also mit Trockenheit umgehen. Aber die Nadelbäume sterben.
Was geschieht auf den Flächen, auf denen der Wald abstirbt?
Das ist der entscheidende Punkt. Wenn die vertrockneten Bäume abgeräumt werden, kann der Boden durch Sonne und Wind noch mehr austrocknen. Und die Hänge haben kein Halt mehr. Dort muss schnell bepflanzt werden. Und wir müssen uns auf all diesen Flächen von der Monokultur verabschieden. Wir müssen neue, klimagerechte Wälder aufbauen. Und das kann ich nicht alleine mit Maschinen machen, dafür brauche ich Fachkräfte.
Was macht den Waldumbau so personalintensiv?
Parallel zur natürlichen Verjüngung brauche ich Pflanzungen. Vor allem aber müssen die Flächen konsequent gepflegt werden. Zum Beispiel sind die Samen der Fichten noch da, die kommen schnell wieder hoch. Sie verdrängen die Baumarten, die ich eher haben will. Etwa die Eiche, die viel Licht braucht. Auf diesen Flächen müssten unsere Leute den Fichten schon mal einen auf den Kopf geben. Aber nicht den Birken, Weiden und Ebereschen, denn die lassen anderen Pflanzen viel Licht und schützen den Boden vor Austrocknung. Das sind typische Pionierpflanzen, auch nach einem Waldbrand. Für die dauerhafte Pflege brauche ich Personal. Und die Qualifizierung ist wichtig, also eine gute Aus-, Fort- und Weiterbildung. Das ist hier ein riesiges Thema, weil das Forstpersonal am Baum ja eigenständig die richtige Entscheidung treffen muss. Viele haben ihre Ausbildung in einer Zeit gemacht, in der Kahlschläge völlig normal waren. Wir müssen unsere Leute fit machen, damit sie mit der Natur und nicht gegen sie arbeiten können.
Gelingt es denn, neues Personal zu finden und auszubilden?
Von der Ausbildung her ist der Beruf top, da gibt es nichts zu meckern. Das Forstliche Bildungszentrum in Hachenburg leistet wirklich gute Arbeit. Das Problem ist eher, dass die ausgebildeten Forstwirt:innen im öffentlichen Dienst in der Entgeltstufe E5 landen. Und das ist für diese Arbeit unangemessen – viel zu wenig. Daran ändert auch die Forstzulage nichts. So hält man kein Personal, denn die Forstunternehmen zahlen mehr und suchen auch händeringend Leute. Mancherorts sollen die Kolleg:innen noch ihr Privatauto nutzen, um in den Wald zu fahren. Hier hat es sich im Staatswald zwar verbessert, dafür haben wir uns als Personalvertretung stark gemacht. Aber das ist nicht überall so. Für die Motorsäge gibt es zwar eine Entschädigung, aber nur nach Einsatzstunde. Es kann nicht sei, dass die Kollegen so wenig verdienen und noch Arbeitsmaterial stellen müssen. Da legen sie drauf. Die Rahmenbedingungen müssten besser sein. Da sind wir als IG BAU auch dran. Ansonsten wird es schwer, gute Leute zu finden.
War diese Situation nicht über Jahre absehbar?
Natürlich, und ich habe auch immer darauf hingewiesen. Die Zahlen lagen uns vor. Über alle Laufbahnen hinweg war das Durchschnittsalter im Forst weit über 50. Wir wussten, dass 40 Prozent des Personals in den nächsten Jahren geht. Das wurde ignoriert. Im Wald wird immer von der Nachhaltigkeit erzählt, aber in der Personalpolitik gilt das leider nicht.
Abschließend noch einmal zur Klimakrise: Wie verändert sie die alltägliche Arbeit im Wald?
Eine Folge ist, dass wir im Frühjahr kaum noch pflanzen können. Eigentlich war das nie ein Problem. Wir haben im März oder April angefangen, wenn der Schnee weg war. Es hat dann ausreichend geregnet und die Pflanzen konnten anwachsen. Im Moment pflanzen wir fast nur noch im Herbst, um die Feuchtigkeit und eventuell den Schnee mitzunehmen. Außerdem haben wir mit Blick auf den Arbeitsschutz im Wald neue Themen. Der Schutz vor Hautkrebs spielt eine große Rolle. Bei der Arbeit auf den kahlen Hängen bist du der Sonne ausgeliefert, das ist extrem.
Wie lautet das Fazit? Kann der öffentliche Dienst Klimaschutz?
Er kann es, er müsste aber besser aufgestellt werden. Nicht nur die Forstverwaltung ist ausgedünnt, das betrifft viele Bereiche. Für mich ist der Klimaschutz eine zentrale staatliche Aufgabe. Wer soll es denn sonst machen? Und klar ist, dass sich etwas bewegen muss. Wir können uns noch so viel anstrengen in Sachen naturnaher Waldbau. Wenn wir die weitere Erderwärmung nicht stoppen, dann können wir eh alles vergessen. Wir müssen sehen, dass wir es gedreht bekommen. Und diese Hoffnung gebe ich auch nicht auf. Ich bin kein Luther-Fan. Aber wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich trotzdem noch Bäume pflanzen.
DGB/Heiko Sakurai
Der Gegenblende Podcast ist die Audio-Ergänzung zum Debattenmagazin. Hier sprechen wir mit Experten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt, es gibt aber auch Raum für Kolumnen und Beiträge von Autorinnen und Autoren.