Deutscher Gewerkschaftsbund

29.10.2013

3D – Technologie als Innovationstreiber

Die Fabrik für jeden

Fassaden

Thomas Kauroff / photocase.com

Die 3D Technologie hat in Präsident Obama einen unerwarteten Unterstützer gefunden. Der Präsident sieht in Anwendung der 3D Technologie die Möglichkeit, der lethargischen vertikalen Fertigung in den USA einen neuen hoch innovativen Schub zu geben, wie er sagt. Von hunderttausenden neuen Arbeitsplätzen ist die Rede, eine Kampagne ist angeschoben und entsprechende Förderungsprogramme sind aufgelegt, Institute und Anlaufstellen für die Beratung sind eingerichtet. Einige meinen sogar, diese Technik würde eine neue, eine andere Industriegesellschaft begründen. Sie soll die „ Fabrik für jeden“ schaffen. Bisher wurde die Technik für industrielle Spezialanwendungen verwendet und das schon seit Jahrzehnten. Jetzt erreicht das 3D Printing (oder 3D Drucken) durch stark gesunkene Gerätepreise den Normalverbraucher.

3D – Druck als technologische Herausforderung

In der Bundesrepublik reagiert die Regierung auf die Technologie, im Gegensatz zur US-Administration, sehr verhalten. Sie sieht auch keine Notwendigkeit, deren Verbreitung mit Verve zu fördern. Das gilt auch für die dafür notwendige personelle Qualifizierung. In einer aktuellen Antwort auf eine kleine Anfrage der SPD vom 05.06.2013 sieht sie "die Entwicklung (bei den 3D-Druckern, A.G.) zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so weit gediehen, das entsprechende Inhalte in Ausbildungsordnungen ...aufgenommen werden können". Über die Anzahl der Unternehmen, die mit dieser Technologie bereits arbeiten und produzieren, gibt es keine offiziellen Zahlen bzw. werden sie nicht erhoben. Hoffen wir mal, dass hier nicht wichtige Entwicklungen verschlafen werden.

Die Europäische Weltraumorganisation ESA sieht in der 3D Technologie eine "Zukunftstechnologie mit großem Potential" und fördert sie mit entsprechenden Projekten. Die NASA hat das bislang größte per 3D-Druck hergestellte Teil eines Raketentriebwerks Anfang September erfolgreich getestet. Sie geht davon aus, dass dies ein Meilenstein ist, um die Kosten in der Raumfahrt zu senken. Die Latte liegt damit bereits sehr hoch und viele sehen hierin sogar eine ähnlich rasante Entwicklung wie mit der Einführung des PC´s, ja eine in Fahrt kommende "Dritte industrielle Revolution" in der Fertigung.

Es zeichnen sich also mit der neuen 3D Technologie tiefgreifende Umwälzungen ab. Die üblichen Werkzeugmaschinen und Geräte, insbesondere die Werkzeuge zur Verformung werden so nicht mehr benötigt. Auch viele Formen, neues Design und undenkbare Anwendungen, die bisher technologisch nicht umsetzbar waren, lassen sich aus dem Datensatz heraus in vielfältige Materialien umsetzen. Die ersehnte „Freiheit des Designs“, unabhängig von den Zwängen der Verarbeitung, ist möglich geworden. Auch der extreme Leichtbau mit hochfestem Material ist nun Realität. In England und den Niederlanden werden bereits Hauswände 3D gedruckt und Architekturen umgesetzt, die bisher nicht umsetzbar waren. Das Verfahren ist natürlich mehr als eine „ koordinatengeführte Heißklebepistole“, wie Peter Glaser von der Neuen Züricher Zeitung ironisch anmerkte. Das Verfahren diente anfangs der Herstellung von Prototypen. Das ist auch noch immer die wichtigste Rolle von 3D Bauteilen in der Automobilindustrie, beim Herstellen ihrer „Erlkönige“, den neuen Modellvorhaben in kleinster Stückzahl.

Welche Folgen hat die Technologie auf Fertigungsprozesse?

Die neue Technologie begründet die „additive Fertigung“, denn mit dem 3-D Druck wird immer etwas hinzugefügt und nicht weggenommen, wie bei der traditionellen subtraktiven (abtragenden) Fertigung durch Fräser und Bohrer. 3D Drucken oder 3D Printing ermöglicht die direkte automatisierte Verarbeitung von dreidimensionalen digitalen Daten, wie wir sie täglich als Animationen auf den Bildschirmen sehen, aber nun in dreidimensionale Gegenstände.

Grundsätzlich ist das Verfahren simpel: Jeder kennt das 2D-Drucken und viele benutzen es auch privat zu Hause. Dazu verwendet man ein Schreibprogramm, durch das man ein Abbild erhält von dem Geschriebenen auf dem Bildschirm. Es ist zunächst ein virtueller Brief, weil man ihn sehen, aber nicht anfassen, falten und per Briefpost verschicken kann. Schickt man ihn zu einem (2D-) Drucker, wird er umgewandelt und ein Papierbrief wird erzeugt, also ein anfassbares, physisches Produkt.

Verwendet man auf dem Computer ein Zeichen- oder Konstruktionsprogramm (einen Part-Prozessor, 3D CAD), so repräsentieren die entstehenden Files (virtuelle) 3D Produkte. Sie können mit einem 3D Drucker ausgedruckt werden. Das Drucken geschieht Schicht für Schicht. Dazu wird das Computermodell in einzelne Schichten zerlegt. Jede Schicht produziert der Drucker tatsächlich und unmittelbar danach werden sie mit der vorhergehenden Schicht zum Bauteil z.B. mit einem Laser verschmolzen.

3D Drucker stellen also Produkte oder Teile davon her. Man nennt sie deshalb auch Fabrikatoren, Fabricators oder kurz Fabber. 3D Drucker sind Maschinen zur Fertigung und erfüllen so gesehen Aufgaben, die auch von Fräsen oder Spritzgussmaschinen erfüllt werden könnten. Auf dem Markt gibt es 3D Drucker für Kunststoffe, Metalle und Keramiken, zum Drucken kleiner und großer Gegenstände.

Was ist das „Revolutionäre“ an der Technologie?

Das Schichtverfahren erlaubt die direkte Herstellung von sehr komplizierten Bauteilen, z.B. auch mit Hohlräumen im Innern aus einem Stück, die mit konventionellen Verfahren aus Einzelteilen hergestellt und montiert werden müssten.

Die heute sehr gefragte Individualisierung von Produkten ist ein weiterer Vorteil. Auch hier hilft die 2D Welt zum Verstehen. Vor der Einführung von digitalen Schreibprogrammen und Computerdruckern mussten Schriftstücke entweder gesetzt und auf Druckmaschinen hergestellt oder auf Schreibmaschinen erstellt werden, was sehr arbeitsaufwendig und kostenintensiv war. Digitale Schreibprogramme ermöglichen heute die Herstellung individueller Briefe, nicht nur als Serienbriefe sondern auch mit individueller Farbgebung und Bebilderung und auch auf unterschiedlichem Papier in unterschiedlichen Schriftarten und sämtlichen Sprachen.

Eine vergleichbare Situation sehen wir bei der Produktion, also bei der Herstellung dreidimensionaler Gegenstände. Für die meisten Fertigungsprozesse sind Werkzeuge und Formen notwendig. Ihre Herstellung ist zeitaufwendig und kostenintensiv. Allerdings können, sind sie einmal verfügbar, mit ihnen große Mengen von Bauteilen hergestellt werden. Wir wissen alle, dass viele Kunststoffartikel nur Cent-Artikel darstellen, obwohl die zu Ihrer Herstellung notwendigen Formen und Werkzeuge mehrere 10- oder auch 100-Tausend Euro kosten. Wirtschaftlich wird eine solche Produktion nur, wenn äußerst hohe Stückzahlen identischer Bauteile produziert werden, also bei der Massenproduktion identischer Teile.

3D Drucker gestatten nun in Analogie zum individuellen „handwerklichen“ Betrieb die Herstellung eines Bauteiles direkt aus dem 3D Datensatz. Soll ein anderes oder ein nur leicht verändertes Bauteil hergestellt werden, muss nur der Datensatz geändert werden und nicht wie traditionell die dafür notwendigen Werkzeuge. Vor diesem Hintergrund wird eine Massenproduktion von Einzelteilen möglich, also eine individualisierte Massenproduktion.

Damit gehen oft genannte Vorteile einher:

  • Die kostengünstige Herstellung von kleinen Serien

  • Eine minimale Lagerhaltung

  • Die Fertigung von Ersatzeilen nach spezifischer Bestellung (on demand)

  • Die Herstellung individueller Bauteile, z.B. Implantate, Zähne, Hörgeräte, etc. in der Medizin

Perspektiven für Arbeit und Innovation

Bei umfassender Verwendung der 3 D Verfahren ist langfristig auch eine Veränderung der Lebens- und Arbeitsbedingungen möglich, z.B. durch eine Dezentralisierung der Produktion. Generell ist auch eine Ablösung des Prinzips der Massenproduktion und seiner Folgen denkbar, hin zu einer individuellen Produktion.

Die Konkurrenz ist hellwach. Große Förderprogramme sind in China bereits aufgelegt, um auch in der post-subtraktiven Fertigung weiter eine wichtige Rolle zu spielen, wie auch in der automatisierten Produktion der Industrie 4.0. Billige Arbeitslöhne werden dann nicht mehr im Vordergrund stehen, sondern ein hoher Automatisierungsgrad und das 3-D Drucken.

Welchen Einfluss hat diese Technologie bereits in der Bundesrepublik in der Produktion und Kleinserienfertigung, im Automobil und Flugzeugbau, der Kunststoffverarbeitung und in der Ersatzeilproduktion gewonnen?

Diesen Fragen geht ein vom Autor geführtes Forschungsprojekt, das von der Hans-Böckler-Stiftung an der FH Aachen, der Universität Duisburg-Essen und dem Institut für werkzeuglose Fertigung gefördert wird, nach. Insbesondere geht es in diesem noch laufenden Vorhaben um die Frage, was diese sich schnell verbreitende Technik für die Arbeitswelt bedeutet.Resultieren hieraus neue Anforderungen an die Ausbildung (Qualifikation) und wer zeichnet dafür verantwortlich? Oder führt die Technik eher zu einer De-Qualifizierung und einem Einsatz billiger Arbeitskräfte? Dazu wird auch das Umfeld untersucht. Wer setzt diese neuen Technologien ein und wozu? Wie schnell ist mit einer starken Durchdringung größerer Produktionsbereiche zu rechnen? Wenn ja: Welche sind das und zu welcher Branche zählen sie? Woher kommen die Arbeitskräfte?

Erste Erkenntnisse zeigen, dass die 3D Drucker heute noch in der Mehrzahl in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Produktentwicklung und Prototypenbau eingesetzt werden. Meist werden sie (noch) von hochqualifizierten Technikern und Ingenieuren bedient und erfordern eine über die eigentliche Maschine weit hinausgehende Infrastruktur. Eine besondere Ausbildung zur Bedienung spielt bisher kaum oder eine untergeordnete Rolle. Den meisten Anwendern reichen Herstellerschulungen.

Die Studie wird durch Einzelinterviews mit Spezialisten, Firmenbesuchen und darauf aufbauenden Feldstudien ergänzt. Um die Arbeitswelt möglichst genau zu erfassen werden Interviews mit Arbeitgebern und Betriebsräten geführt. Erste Ergebnisse zeigen, dass Fachleute die kurzfristigen Vorteile auf einigen begrenzten Gebieten sehen, die Entscheider das Potenzial aber gerade erst zu erkennen beginnen.

Wir freuen uns über Jede und Jeden, die/der unsere Arbeit mit fachbezogenen Anregungen unterstützt und zu einem Interview bereit ist. Unser Teammitglied Laura Thurn steht hierfür zur Verfügung: l.thurn@iwf-duisburg.de oder: laura.thurn@web.de .


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Prof. Dr.-Ing. Andreas Gebhardt
Seit März 2000 Professor für „Hochleistungsverfahren der Fertigungstechnik und Rapid Prototyping“ an der Fachhochschule Aachen
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