Seit ihrem Parteitag 2015 driftet die AfD immer weiter nach rechts. Mehr und mehr setzt die Partei auf eine Politik der Angst und der rassistischen Ausgrenzung. Der Rechtsextremismus-Experte Fabian Virchow analysiert den Politikwechsel der Partei und beschreibt Gegenstrategien, mit denen die demokratische Zivilgesellschaft und insbesondere die Gewerkschaften dem wachsenden Rechtspopulismus begegnen können.
colourbox.de
In den letzten Wochen stand die AfD aus zwei Gründen im Rampenlicht: Vor laufenden Kameras lieferten sich die Parteispitzen Frauke Petry und Jörg Meuthen ein Scharmützel über die Frage, wer in der Partei das Sagen hat und wer die Partei in den Bundestagswahlkampf 2017 führen wird. Auslöser war die Spaltung der AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg. Die parteiinterne Debatte offenbarte gleichzeitig, dass, anders als von der Parteispitze behauptet, es in der AfD keine klaren Mehrheiten gegen Antisemitismus gibt.
Zum anderen beschäftigten und beschäftigen sich die Medien ausgiebig mit den anhaltend hohen Umfragewerten der nationalistischen AfD. Für den Landtag in Mecklenburg-Vorpommern und das Abgeordnetenhaus in Berlin ist der Einzug von AfD-Fraktionen sicher. Die potenziellen Wählerinnen und Wähler lassen sich auch nicht davon abschrecken, dass die Partei sich hartnäckig weigert, klare Ab- und Ausgrenzungen nach Rechtsaußen vorzunehmen. Etliche Akteure in der Jugendorganisation der AfD haben ebenso wie Parteifunktionäre eine einschlägige Vergangenheit im rechtsextremen Spektrum. Auch die inhumanen Forderungen aus der AfD-Führung, Schusswaffen gegen Schutzsuchende einzusetzen, oder die Annäherung an extrem rechte Parteien wie den Front National (Frankreich) und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) haben keinen Einfluss auf die Umfrageergebnisse.
Um den politischen Wandel zu verstehen, muss man einen Blick in die Historie der AfD werfen. Als nationalliberale Partei im Februar 2013 gegründet, hatte die AfD zunächst einen starken marktradikalen Flügel, der auch im Vorstand prominent vertreten war, unter anderem durch Hans-Olaf Henkel, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Seitdem ist die AfD Schritt für Schritt nach rechts gedriftet. Ein zentraler Meilenstein auf dem Weg nach rechts war der Parteitag in Essen Anfang Juli 2015. Dort wurde der damalige Vorsitzende Bernd Lucke durch das Duo Petry und Meuthen ersetzt und der Rechtsruck der Partei damit auch personell besiegelt.
Ihre ersten Wahlerfolge verdankte die AfD insbesondere ihrer nationalistischen Kritik an der EU und dem Euro. Doch bereits seit ihrer Gründung verfolgt die Partei reaktionäre gesellschaftspolitische Ziele. Der Einzug in das Europäische Parlament 2014 basierte bereits auf der Zustimmung auch zu anderen Aspekten des AfD-Profils, wie der Absage an eine liberale Einwanderungspolitik oder dem Eintreten für ein traditionelles Familienmodell als gesellschaftliche Norm. Mehr als zwei Millionen Stimmen konnte die Partei bei dieser Wahl gewinnen, ähnlich viele wie bei der Bundestagswahl 2013.
Als die AfD im Juli 2015 in den Umfragen auf unter fünf Prozent abgerutscht war, entschied die Partei, sich in der Agitation auf die Themen Flucht, Asyl und Migration zu stürzen und in der Bevölkerung verbreitete Stereotype und Vorurteile anzusprechen, zu vertiefen und zu radikalisieren. Die AfD setzt seitdem – angesichts der Ankunft einer großen Zahl schutzsuchender Menschen in Deutschland – stark auf eine Politik der Angst und der rassistischen Ausgrenzung. Sie nimmt dabei auf Befürchtungen und Vorurteile in Teilen der Bevölkerung Bezug, die der Zuwanderung skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen. Die AfD setzt vor allem auf ein einseitiges und negatives Bild vom Islam. Zudem bedient die AfD eine Klientel, die traditionelle Familienmodelle als gesellschaftliche Norm durchsetzen will. Die Partei inszeniert sich als Gegenstimme zu den „Alt-Parteien“. Den meisten Wählerinnen und Wählern ist dabei die Programmatik der AfD im Detail unbekannt. Ihnen genügt das öffentliche Bild, das über die AfD im Umlauf ist: gegen Einwanderung, gegen den Islam, gegen die EU.
Bei allen diesen Themen stellt die AfD die deutsche Bevölkerung als Opfer und Benachteiligte dar, die angeblich von politischer Mitwirkung ausgeschlossen sind, jedoch die Folgen in punkto Finanzierung und Sicherheit zu tragen hätten. Tatsächlich sind mit Migrationsbewegungen größeren Ausmaßes zahlreiche Herausforderungen verbunden – beispielsweise, wenn es darum geht, die Geflüchteten menschenwürdig und sicher unterzubringen oder ihre gesellschaftliche Integration zu organisieren. Ohne Zweifel gibt es Beschäftigte und Erwerbslose in erheblicher Zahl, die jeden Monat erneut darum kämpfen, einigermaßen über die Runden zu kommen. Sie fragen angesichts ihrer eigenen schwierigen ökonomischen Lage vielfach zu Recht, ob sich durch die notwendigen finanziellen Aufwendungen, um die Geflüchteten zu unterstützen, ihre eigene Situation weiter verschlechtert.
Auf all diese Herausforderungen hat die AfD keine Antworten. Wirtschafts- und sozialpolitisch dominiert weiterhin eine marktradikale Sichtweise, die die Reichen entlasten und die Daseinsfürsorge weiter privatisieren will. Letzteres ginge zu Lasten derjenigen, die sich ökonomisch ohnehin in einer schwierigen Situation befinden. Und wenn in der Partei vereinzelt vom Mindestlohn gesprochen wird, ist dies lediglich ein falsches Aushängeschild einer angeblich „sozialen Seite“ der AfD. Für die Durchsetzung des gesetzlichen Mindestlohns haben die Gewerkschaften lange gekämpft; eine AfD war dazu nicht notwendig. Ziel der Partei ist es, die Gewerkschaften als solidarische Vertretung aller abhängig Beschäftigten zu schwächen. Das zeigen auch die Forderungen, die vom selbsternannten Arbeitnehmerflügel der AfD formuliert werden.
Im Zuge der Entwicklung der AfD nach rechts hat auch die Strömung um Björn Höcke erheblich an Einfluss gewonnen. Das belegt, wie wenig glaubwürdig die öffentlich verkündeten Abgrenzungen vom Rechtsextremismus sind. Kräfte in der AfD haben an Boden gewonnen, die einen völkischen Nationalismus vertreten. Ihr Ziel ist eine grundsätzliche Umgestaltung der Gesellschaft. Ihr Weltbild schließt ein gleichberechtigtes Miteinander von Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind, und jenen, die eingewandert sind, grundsätzlich aus. Der völkische Nationalismus zielt auf die Entrechtung eines erheblichen Teils der in Deutschland lebenden Menschen.
Er steht damit fundamental den gewerkschaftlichen Grundsätzen und der gelebten Praxis in der Arbeitswelt entgegen. Gewerkschaften haben in den Betrieben und Verwaltungen stets gegen eine Spaltung in „Deutsche“ und „Ausländer“ gekämpft. Politisch setzen sie sich von jeher für Teilhabe und Integration ein. Dazu gehört etwa das kommunale Wahlrecht von MigrantInnen. Diese solidarische Haltung gilt es in der Auseinandersetzung mit der AfD und ihrer Politik der Angst und Spaltung zu verteidigen. Dazu gehört auch, weiterhin für politische Beteiligungsrechte von Migranten einzutreten.
Nur ein bescheidener Teil der AfD-WählerInnen der AfD glaubt, dass die Partei tatsächlich Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen hat. Gewählt wird die Partei aus anderen Gründen. Für einen Teil von ihnen ist ausschlaggebend, dass ihre eigene Weltanschauung und die Grundaussagen der AfD weitgehend übereinstimmen. Andere wollen mit ihrer Stimme für die AfD es ‚denen da oben‘ mal zeigen. Dieses Vorgehen ist allerdings mit dem Risiko verbunden, dass sich in Deutschland eine nationalistische, künftig weiter nach Rechtsaußen driftende Partei etabliert. Damit erhielten aggressiver Rassismus und nationalistische Spaltung einen institutionalisierten und ressourcenstarken Akteur mit Einfluss auf politische Entscheidungen, die den Kern einer humanitären und pluralen Demokratie und Gesellschaft betreffen.
Dass eine solche Partei in manchen Bundesländern bereits jetzt über zwanzig Prozent der Stimmen bekommt, macht die Größe des aktuellen Problems deutlich. Die Gewerkschaften sind gefordert, sich in den Kampf gegen die AfD einzubringen. Sie müssen sich argumentativ mit den Kollegen und Kolleginnen auseinandersetzen, die sich dieser Partei zuwenden. Wer sich im Betrieb rassistisch äußert, muss kritisiert werden. Wer sich in extrem rechten Kreisen bewegt, muss sich dafür rechtfertigen. Zugleich gilt es aber auch, mit Argumenten und solidarischer Haltung gemeinsame soziale Kämpfe zu führen, um Arbeitsbedingungen und Entlohnung zu verbessern sowie gegen soziale Ausgrenzung einzutreten. Ziel ist es, der AfD das Wasser abzugraben. Denn die durch den globalisierten Kapitalismus verursachten Krisen und Umbrüche bringen Ängste und Unsicherheiten hervor, denen die Rechtspopulisten keine wirklichen Lösungen entgegensetzen können. Weder vereinfachende Feindbildkonstruktionen à la ‚volksfeindliche Politikelite‘ oder ‚Lügenpresse‘ noch das Trugbild eine heilen ‚nationalen Gemeinschaft‘ sind angemessene Antworten.
Weitere Beiträge von Fabian Virchow gibt es unter www.forena.de
Genau wegen solchem propagandistischen Schmarrn wie in dem Artikel wird die AfD stärker und stärker. Die Bürger merken das nämlich! MfG
Der wohlbegründeten Kritik an den Verhältnissen, die einen notwendigen Diskurs auf gesellschaftlich zentralem Gebiet versperren und nicht zuletzt die in dieser Woche in Duisburg zu Tausenden demonstrierenden Stahlarbeiter gleichsam vor einer "Mauer des Schweigens" stehen lassen, nimmt die AfD die Spitze, indem sie von einer angeblichen Verschwörung vermeintlicher Eliten fabuliert. Insofern deren Gebaren angesichts dessen antisozialer nicht sein könnte und dadurch jedwedes gedeihliche Zusammenleben massiv gefährdet, bleibt unbeantwortet, warum die Kandidaten der Partei, die in gleich welchen Fragen somit zweifelsfrei bar jeglicher Lösungskompetenz sind, zu Wahlen antreten und die ihnen von den Bürgern erteilten Parlamentsmandate darüber hinaus auch noch ergreifen. Offenbar geht es ihnen lediglich darum, unbelehrbar sich selbst die eigenen Finger daran zu verbrennen.
Ich finde, CAMPACT sollte sich konsequent aus der Parteienpolitik heraushalten. Bürger auf die Straße !
DGB/Heiko Sakurai
Der Gegenblende Podcast ist die Audio-Ergänzung zum Debattenmagazin. Hier sprechen wir mit Experten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt, es gibt aber auch Raum für Kolumnen und Beiträge von Autorinnen und Autoren.