Die Pandemie hat dem Arbeitsleben einen unerwarteten Digitalisierungsschub verpasst – aber einen ungleichen. Studien zeigen nun, wem das Homeoffice zugutekommt, wer nicht von zu Hause arbeiten darf und wer es nicht will. Was davon dauerhaft bleibt, steht noch nicht fest.
Eine der wichtigsten Veränderungen in der digitalen Arbeit ist das Homeoffice, das sich mit der Coronakrise quer durch viele Branchen weit verbreitet hat. Arbeiteten vor der Krise nur vier Prozent der Beschäftigten ausschließlich und weitere 13 Prozent teilweise von zu Hause, stiegen mit Beginn der Pandemie diese Anteile deutlich an.
Mehr als ein Viertel der Erwerbstätigen arbeitete im April 2020 ausschließlich oder überwiegend von zu Hause und weitere 17 Prozent hybrid, also an wechselnden Orten. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung. Im Laufe der Pandemie wurden – je nach Infektions- und Gesetzeslage – das Homeoffice und die mobile Arbeit unterschiedlich genutzt, jedoch stets deutlich mehr als noch 2019. So arbeiteten im Juni/Juli 2021 immer noch 15 Prozent ausschließlich oder überwiegend von zu Hause.
Für 30 Prozent der Erwerbstätigen bedeutete die Bekämpfung der Coronapandemie Arbeit von zu Hause aus bartz/stockmar, CC BY 4.0
Dabei gab es erhebliche Unterschiede, wer von zu Hause arbeiten konnte oder durfte. Soziale Ungleichheiten blieben – zumindest teilweise – bestehen. Vor der Coronapandemie konnten vor allem Führungskräfte von zu Hause arbeiten. Auch während der Pandemie nutzten Beschäftigte mit höherem beruflichem Status und höherem Einkommen das Homeoffice häufiger. Diese Ungleichheit lässt sich aber vor allem auch durch unterschiedliche Strukturen der einzelnen Branchen und Tätigkeiten erklären. In der Erziehung, im Einzelhandel und in Pflegeberufen etwa müssen Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz bleiben. In diesen Branchen war auch die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus am größten.
Neben dem Status spielt auch das Geschlecht eine Rolle. 22 Prozent der Frauen wurde die Arbeit im Homeoffice nicht erlaubt, selbst wenn das von den Abläufen her möglich gewesen wäre. Bei Männern waren es nur 11 Prozent. Frauen nahmen zudem kulturelle Barrieren stärker wahr.Sie sorgten sich häufiger als Männer um ihre Karriere und hatten häufiger den Eindruck, dass Vorgesetzte ihre Anwesenheit erwarteten. Diese geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bauten sich im frühen Verlauf der Pandemie allerdings weitgehend ab.
Schlagartige Modernisierung: Nach der ersten Coronawelle fürchtete kaum noch jemand, Homeoffice bedeute eine Karrierebremse Bartz/Stockmar, CC BY 4.0
Zentral für das Arbeiten im Homeoffice ist zudem, ob und wie das Zuhause ans Netz angeschlossen ist. Zwar verfügen mit 36,5 Millionen Breitbandanschlüssen rund 90 Prozent der Haushalte in Deutschland grundsätzlich über die Möglichkeit. Allerdings ist nur ein Teil davon stabil und schnell genug, um problemloses Arbeiten zu gewährleisten – nur 12,7 Millionen Anschlüsse liefern mehr als 100 Mbit pro Sekunde.
In der oben erwähnten Erwerbspersonenbefragung ging es auch um die Erfahrungen, die Beschäftigte während der Pandemie mit dem Homeoffice gemacht haben. Immerhin 80 Prozent der Befragten gaben an, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser gelang. Dabei schulterten allerdings Frauen – wie auch vor der Pandemie – den Löwenanteil der Sorgearbeit, also die Betreuung von Kindern, Pflege von Angehörigen und den Haushalt.
Im Januar 2021 hatte knapp die Hälfte der Befragten den Wunsch, auch nach der Pandemie weiterhin im Homeoffice zu arbeiten. Überdurchschnittlich waren dies Beschäftigte, die von guten Regelungen ihres Betriebes profitieren konnten und mit mobilen Geräten oder digitalem Zugriff auf interne Netze und Datenbanken ausgestattet waren.
Auch für Arbeitgeber ist es von Interesse, welche Erfahrungen Beschäftigte mit mobiler Arbeit machen. So konnte eine Studie schon 2019 zeigen, dass Homeoffice mit einem höheren Commitment verbunden ist. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von zu Hause arbeiten dürfen, identifizieren sich im Vergleich zu Beschäftigten, die im Betrieb arbeiten, stärker mit dem Unternehmen. Allerdings gilt das nur dann, wenn sie keine „Entgrenzung“ der Arbeit im Homeoffice erfahren, also die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben nicht verschwimmt.
Dafür sind auch gute betriebliche Rahmenbedingungen wichtig. Die Work-Life-Balance gelingt Beschäftigten dann, wenn die Nutzung des Homeoffice per Vertrag geregelt und somit verlässlich ist. Wichtig ist, dass innerhalb der festgelegten Arbeitszeit zu Hause gearbeitet wird und dass Beschäftigte ganze Tage im Homeoffice arbeiten und nicht nur einzelne Stunden.
Frauen hatten vor der Pandemie weniger Zugang zu flexiblen Arbeitsmodellen – das änderte sich innerhalb eines Jahres Bartz/Stockmar, CC BY 4.0
Nicht alle können und wollen ins Homeoffice. Beschäftigte, die (mit)entscheiden können, wo sie arbeiten, sind weniger gestresst, leiden seltener unter psychischen Erkrankungen und sind zufriedener im Job. Nicht zuletzt spielen Führungskräfte eine entscheidende Rolle dabei, wie Beschäftigte das Homeoffice erleben. Um sich wohlzufühlen und produktiv arbeiten zu können, brauchen sie die Unterstützung der Vorgesetzten. Offen ist noch, ob diejenigen, die weiterhin wenigstens teilweise von zu Hause arbeiten wollen, dies auch dürfen. Basis für das Recht auf Homeoffice ist die Freiwilligkeit: Wer zu Hause arbeiten möchte, sollte dies nicht verwehrt bekommen, solange keine zwingenden Einwände des Betriebes dagegensprechen.
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Der Atlas der digitalen Arbeit ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Hans-Böckler-Stiftung (HBS).